n.n. schreibt:
Hallo, ich hoffe, es ist okay, wenn ich hier jetzt einfach so meine Frage stelle!
Ich bin im 3. Lehrjahr zur Pferdewirtin mit dem Schwerpunkt Reiten.
Wir sind in unserem Betrieb mit insgesamt 3 Azubis, wovon die beiden anderen zwar schon länger da sind (Praktikum, Kunde) aber noch im 2. Lehrjahr sind.
Mein Problem ist, dass ich in meinem Betrieb nichts lerne. Ich reite bei uns nur Pferde an bzw. reite die bereits angerittenen Pferde weiter während die anderen beiden die weiter ausgebildeten Pferde reiten und auf Turnieren vorstellen. Mein Chef begründet es meist damit, dass die eine Azubine schon länger da ist und die andere stärker reitet. Das ist ja auch ein verständliches Argument, nur wenn ich nicht gefördert werde, wie soll ich es dann besser machen bzw. etwas lernen?
Wir haben einen Tag in der Woche frei, alle am selben, Mittwochs und eine von uns jeden zweiten Sonntag.
Alleine an den 4 Tagen unter der Woche arbeiten wir 11-12 Stunden täglich, meist ohne Pause, dann kommt noch der Wochenenddienst hinzu, Samstags 10h und jeden zweiten Sonntag im Schnitt 8h.
Ich darf nicht zur Berufsschule, da ich nur noch Berufsschulberechtigt aber ncht mehr -pflichtig bin und dann einen Tag im Betrieb fehlen würde.
Desweiteren besitze ich einen Trainerschein der Kategorie C. Leistungssport, mein Chef sagt, das wäre Prüfungsvorbereitung genug und den Rest könnte ich in meiner Freizeit lernen.
Meine Abschlussprüfung muss ich selbst bezahlen, da ich an diesem Ausbildungsbetrieb meine Ausbildung nur beende und nicht angefangen habe.
Ich weiss auch, dass das nicht in Ordnung ist, aber man kan sich ja vorstellen, was passiert, wenn man seinen Mund aufmacht.
Hinzu kommt noch, dass das Klima auf der Arbeit richtig schlecht ist. Keiner redet miteinander, alle arbeiten für sich.
Ich bin mittlerweile sehr frustriert und würde meine Ausbildung am liebsten abbrechen. Ich hätte wahrscheinlich auch einen Betrieb, der mich übernehmen würde. Das Problem ist nur, ich war wegen einer Operation am Handgelenk (aufgrund zu hoher Belastung) 8 Wochen krankgeschrieben, mein Chef würde mich nicht gehen lassen, da ich ja währenddessen angestellt war und er meine Zwischenprüfung bezahlt hat. Was soll ich denn jetzt machen? Ich halte es dort nicht mehr aus! Habe ich ein Recht auf einen Aufhebungsvertrag? Kann ich einfach kündigen und meine Ausbildung woanders zuende machen?
Für Hilfe wäre ich sehr dankbar, meinen Namen behalte ich lieber für mich, da ich Angst habe, mein Chef liest das hier.
Dietbert Arnold antwortet:
Hallo n.n., klar dass ich Deinen Namen nicht nenne, damit Dein Chef das alles brühwarm liest. Dein Ausbilder verstößt mehrfach gegen viele Gesetze und Verordnungen.
- Natürlich beträgt Deine Arbeitszeit 40 Stunden in der Woche, so steht es im Berufsausbildungsvertrag.
- Natürlich muss das Arbeitszeitgesetz eingehalten werden.
- Natürlich müssen Überstunden zusätzlich vergütet werden, so steht es im Ausbildungstarifvertrag für die Landwirtschaft.
- Natürlich muss er Dich zur Berufsschule lassen, so steht es im Berufsbildungsgesetz.
- Natürlich muss er Dich nach der Verordnung zum Ausbildungsberuf Pferdewirt gewissenhaft ausbilden.
- Natürlich muss der Ausbildungsbetrieb die Kosten der Abschlussprüfung bezahlen, so steht es im Berufsbildungsgesetz und im Berufsausbildungsvertrag.
Du möchtest jetzt wissen, was ich darüber denke und was ich meiner Tochter empfehlen würde: Nach meiner langjährigen Erfahrung als Prüfer weiß ich, dass Du, so wie Du die Situation schilderst, keine Chance hast, die Abschlussprüfung zu bestehen. Wie willst Du denn ohne ordentliche Ausbildung und solide Übung eine Kandaren- L reiten, wie willst Du gefahrlos einen L- Parcours überwinden, wie willst Du Dressur- und Springunterricht erteilen, wie willst Du die gesamte Theorie so beherrschen, dass Du entsprechende Aufgaben bewältigen kannst? Alleine der Hinweis Deines „Ausbilders“, der Trainer C sei Prüfungsvorbereitung genug, ist eine Frechheit und entspricht keinesfalls der Wahrheit!! Mit dem Trainer C wirst Du die Abschlussprüfung nicht schaffen. Das ist völlig unstrittig!
Wenn Du jetzt nicht die Notbremse ziehst, entweder Deinen Ausbilder zu überzeugen, Dich endlich richtig auszubilden oder aber den Betrieb zu wechseln, hast Du ein ganz dickes Problem! Brav warten und auf ein Wunder hoffen, wird nicht funktionieren!
Ich rate Dir zu folgendem:
1. Alle Arbeitszeiten und alle Tätigkeiten (Ausbildungen!?) dokumentieren! Schön brav in das Berichtsheft eintragen.
2. Sofort die Zuständige Stelle informieren und deutlich machen, dass DU nicht ausgebildet wirst und das DU sofortige Hilfe erwartest.
3.Sofort in die IG BAU eintreten und dort um Rechtsschutz bitten. Die beraten Dich dann über die Arbeitszeiten und Lohnnachforderungen sowie über die nicht erfolgte Ausbildung. DU kannst nämlich den Ausbilder für die nicht erfolgte Ausbildung schadenersatzpflichtig machen.
4. DU gehst ab sofort regelmäßig in die Schule. DU machst das einfach.
5. Versuche sofort einen neuen Ausbildungsbetrieb zu finden. Bei den Ausbildungsverstößen kündigst Du ohne jede Vorwarnung, falls Du die neue Ausbildungsstelle hast. In die Kündigung schreibst Du einfach: Begründung:
- Verbot die Berufsschule zu besuchen,
- mangelnde Ausbildung nach Verordnung zum Beruf Pferdewirt,
- Verstoß gegen Arbeitszeitgesetz
- Kein Freizeitausgleich bzw. Bezahlung der Überstunden
- Kostenforderung zur Abschlussprüfung
Dein Chef hat keine Chance, sich gegen diese Kündigung zu wehren und auch die Zuständige Stelle muss den Wechsel so akzeptieren.
Das hätte ich meiner Tochter gesagt, jetzt kannst Du Dir überlegen, ob die Tipps gut oder schlecht sind. Eines ist aber sicher, wenn da nichts passiert, dann gibt es Tränen bei der Abschlussprüfung! Und ohne Konflikt wird es nicht gehen, Deine Situation zu verbessern. Nicht nur beim Reiten braucht man/frau Rückgrad, auch im Umgang mit „Ausbildern“. Ich jedenfalls drücke Dir die Daumen, dass Du die richtigen Entscheidungen triffst.