Seit dem 01.08.2010 gibt es eine neue Verordnung über die Berufsausbildung zum Pferdewirt/ zur Pferdewirtin

Damit ist eine der ältesten noch gültigen Verordnungen aus den 1970iger- Jahren reformiert worden.
Von einem Pferdewirt/in erwartet man nach der neuen Verordnung, dass er/sie selbständig Aufgaben planen, bearbeiten, beurteilen und veranrworten sowie auftauchende Probleme lösen kann. Fachleute nennen dieses alles berufliche Handlungsfähigkeit. Und genau diese Frage werden Prüfer in Zwischenprüfungen und Abschlussprüfungen immer wieder stellen: Hat der Prüfling XYZ die berufliche Handlungsfähigkeit ausreichend, befriedigend, gut oder sehr gut oder nur mangelhalft oder ungenügend nachgewiesen.
Während der gesamten Berufsausbildung, also im Betrieb, in der Berufsschule und natürlich auch bei jeder Prüfung muss die Ausbildung bzw. Prüfung handlungsorientiert ablaufen, also Ihr Azubis müsst selber planen, ausführen, das Ergebnis selber beurteilen und eventuell Verbesserungen diskutieren.
Alle Aufgaben, die Pferdewirtauszubildende entweder im Betrieb oder in der Schule lösen, müssen immer auch unter dem Gesichtspunkt der Nachhaltigkeit, der Medienkompetenz, der Qualitätssicherung, der Sicherheit und der Kundenorientierung diskutiert werden.
Folglich müssen Azubis im Beruf Pferdewirt darüber diskutieren können, wie ein Pferdebetrieb nachhaltig arbeiten kann, wie man/frau mit modernen Medien umgeht, ein Qualitätsmanagement mit Qualitätshandbuch geführt wird, wie Sicherheit die eigene Gesundheit schützt und Kundenorientierung in einem Dienstleistungsberuf eine der wesentlichen Voraussetzungen ist, dass Kunden wieder kommen.
Die berufliche Handlungsfähigkeit kann nur überprüft werden, wenn ein Prüfling eine Aufgabe bekommt, sich z.B. durch eine Futterwerttabelle informieren kann, seine Aufgabe selbständig plant und bearbeitet und dann auch noch sein Ergebnis überprüfen kann.
Die Prüfungsinhalte im Beruf Pferdewirt/in in der Fachrichtung Klassische Reitausbildung könnt Ihr unter diesem Link downloaden.
Deshalb können Prüfungsaufgaben jetzt so aussehen:
Beispielaufgabe Abschlussprüfung (öffentlich)

Pferdewirt: Fachrichtung Klassische Reitausbildung
Prüfungsbereich: Pferdegesundheit, Reit- und Sportlehre 60 min
Der Betriebsleiter möchte Arbeitsabläufe (Ziele, Durchführung, Prüfmittel) im Stall schriftlich festlegen. Das Ergebnis ist das sog. Qualitätshandbuch zur Qualitätssicherung. Ihr Betriebsleiter bezieht Sie als gelernte Pferdewirtin/Pferdewirt in die Arbeit ein und bittet Sie, für das betriebliche Qualitätshandbuch den folgenden Abschnitt zu erstellen: „Verwurmung – Vorbeugung und Behandlung“
Jeder Prüfer bekommt einen Bogen mit einem sog. Lösungsraum. Damit wird bei der Korrektur deutlich, wie „tiefgründig“ das Thema beantwortet werden soll. Auch bei der Frage, was soll da eigentlich alles rein, in so eine Aufgabe, können Azubis sehr leicht selber sich die Frage beantworten. Hier geht es um eine schriftliche Aufgabe, zu der man/frau ganze 60 min Zeit hat. Da darf schon ein wenig Tiefgang bei der Planung und Lösung verlangt werden. Ein Profi, also der/die die berufliche Handlungsfähigkeit besitzt, kann in einer Stunde schon ganz schön was bewegen. Stellt Euch einmal vor, Ihr hättet eine Stunde Zeit, im Theorieunterricht etwas über Verwurmung zu sagen…
Bei der Erstellung des Qualitätshandbuches muss nicht alles das, was in dem Lösungsraum steht, genannt werden. Vielmehr hat jeder Prüfling das Recht, eine bestimmte, realistische Betriebssituation abzubilden. In aller Regel wird das die Situation im Ausbildungsbetrieb sein. Prüfer wissen sehr genau, dass es nicht immer DIE Lösung gibt, lassen natürlich vernünftige Alternativen gelten, können aber andererseits schon erkennen, was einfach nur Blödsinn ist.
Der Lösungsraum lässt z.B. jedem Prüfling die Wahl, die klassische, konservative Wurmbekämpfung oder aber die derzeit stark propagierte selektive Entwurmung zu beschreiben. Konsequenterweise sind natürlich im Lösungsraum auch beide Verfahren niedergeschrieben. Die Qualitäshandbuchseite ist zufällig gemäß der selektiven Entwurmung erstellt worden, natürlich wäre ein Ergebnis nach der klassischen Entwurmungsstrategie (4x/Jahr, eines im Nov gegen Dasseln) ebenso akzeptiert worden.
Lösungsraum (für die Prüfer)
(mit freundlicher Unterstützung von Frau Dr. Anne Becher, Lehrstuhl für vergleichende Tropenmedizin und Parasitologie der Ludwig- Maximilians- Universität München)
Wurmarten
- Strongyliden
- kleine Strongyliden Aussehen: 0,5 -3 cm, rötlich, Vorkommen: sehr weite Verbreitung, fast in allen Beständen, Lebenszyklus: 6-14 Wochen, im Pferd im Darm und in der Darmwand, Eier und Larven auf der Koppel, Entwicklungshemmung bis zu 3 Jahre, Symptome: nur bei massenhaftem Befall, Durchfall, Entwicklungsverzögerung, stumpfes Fell, Gewichtsverlust, Nachweis: Eier in der Kotprobe
- große Strongyliden Aussehen: 1-5cm Vorkommen: fast ausgerottet, Lebenszyklus: 6 -11 Monate, Körperwanderung: Arterie, Leber, Bauchhöhle, Eier und Larven auf der Koppel, Symptome: Kolik, Gewichtsverlust, struppiges Fell, Nachweis: Eier in der Kotprobe, Larvenanzucht
- Spulwürmer Aussehen: 15 -50 cm, spagettiförmig, Vorkommen: bei Fohlen und Jungpferden, Lebenszyklus, 10 -16 Wochen, Körperwanderung, Dünndarm, Leber, Lunge, Eier und Larven auf der Koppel, Symptome: Kolik, Verstopfung, Gewichtsverlust, struppiges Fell, Husten Nachweis: Würmer im Kot, Eier in der Kotprobe
- Bandwürmer Aussehen: 2,5- 52cm x 8 -25mm, im Kot nur Glieder Vorkommen: nur in 10 – 25 % der Bestände, Lebenszyklus: 6-10 Wochen, Eier auf der Koppel, Moosmilben als Zwischenwirt, Symptome: Kolik, Durchfall, Gewichtsverlust, Nachweis: Glieder im Kot, Eier in der Kotprobe, unregelmäßige Eiausscheidung
- Pfriemschwänze Aussehen: 0,9–15cm, Schwanz spitz zulaufend, Vorkommen: unterschiedliche Verbreitung, Lebenszyklus: 4,5 – 5 Monate, Dickdarmschleimhaut, Eischnüre am Anus, Symptome: Schweifscheuern, Nachweis: Eischnüre mit Tessafilm
- Magendasseln Aussehen: Fliegen 8 – 18mm, gelbliche keilförmige Eier, Eier im Herbst an Beinen, Schulter, Flanke Vorkommen: regional, Lebenszyklus: Eier auf dem Fell, Pferd leckt ab, Larven im Magen und Darm, Symptome: nur bei starkem Befall, Entzündung der Maul- und Schlundschleimhaut, Magengeschwüre, Gewichtsverlust, Nachweis: Eier auf dem Fell, Gastroskopie
- Lungenwürmer nur über Esel, Pferd Fehlwirt. Keine gemeinsame Beweidung Esel/Pferd
• Wirkstoffe
- Benzimidazole z.B. Panacur®, Rintal®, Telmin® ! fast immer resistent bei kleinen Strongyliden !
- Pyrantel z.B. Banminth®, Jernadex® ! vereinzelt resistent bei kleinen Strongyliden !
- Praziquantel (nur Bandwürmer)
- Makrozyklische Laktone 1. Ivermectin z.B. Eraquell®, Ivomec P®, Diapec®,Furexell® und 2. Moxidectin z.B. Equest®
• Strategische Intervallentwurmung: 4 x jährlich entwurmen, Herbstentwurmung auch mit Dasselbekämpfung:
- Frühjahrsbehandlung, Weidebeginn
- Sommerbehandlung, 2 Monate nach Weidebeginn
- Herbstbehandlung (Ende Weidesaison + Bandwurmbekämpfung)
- Winterbehandlung ( + Dasselbekämpfung November bis Dezember)
oder
Selektive Entwurmung: Bisher 4 x jährlich Wurmkur ohne Nachweis von Würmern>Entwurmung richtet sich nach (ausgestorbenen) großen Strongyliden > Resistenzentwicklung > Wurmkuren deutlich reduzieren >Wurmbekämpfungsmanagement verändern:
- Wurmart im Pferdebestand bestimmen (Kotuntersuchung durch TA)
- Welche Wurmkur wirkt? (Eierzahlreduktionstest durch TA)
- Wie hoch ist der Wurmbefall jedes Pferdes? (regelmäßige Kotuntersuchung TA)
- Gezielte Entwurmung nur bei Überschreitung des Schwellenwertes (200 Eier/g Kot)
- Quarantäne für neue Pferde (mind. 10, besser 14 Tage)
- Quarantäne für einzelne, verwurmte Pferde
- Paddocks täglich misten
- Weiden alle 3 Tage misten
- Wechselbeweidung mit z.B. Rindern (keine Esel). Standzeit der Pferde max. 8 Tage
- Hygienemaßnahmen so wichtig wie Wurmkuren!
- Heißrotte des Mistes (mehr als 60°)
- mindestens 1 x Jahr Box- Grundreinigung (Dampfreiniger)
- Raufutter nicht aus Einstreu füttern
- Nicht-feuchtes Stallklima (unter 70%), Prüfmittel Hygrometer
- Tau vor Weidegang abtrocknen lassen
- Kalkstickstoff im Frühjahr zur Weidedüngung (max. 50 kg N/a/ha) o kein Pferdeheu von Pferdeweiden
- kein Pferdemist auf Pferdeweiden/-wiesen
>Weitere Infos: www.selektive-entwurmung.com
Bei der Erstellung eines Qualitätshandbuches kann man/frau den Text komplett schriftlich niederschreiben. Weitaus besser geht es mit einer grafischen Prozessdarstellung. Diese Form der Darstellung muss im Betrieb und in der Schule geübt werden. Eine sehr gute Möglichkeit, das Berichtsheft sinnvoll zu führen, ist, wenn die Wochenberichte jeweils aus einem Eintrag des Qualitätshandbuches bestehen. Das können kleine abgegrenzte Einheiten sein. Zu diesem oben abgebildeten Prozess würden gut Seiten passen, wie Entwurmung von Fohlen, Entwurmung von trächtigen Stuten, Entwurmung von Jungpferden, Reinigung einer Box, Pflege des Padocks, usw. .

Es wird nicht mehr reichen, in einer Prüfung die Knochen der Vorhand aufzuzählen und die Prüfer sind zufrieden. Es wird auch nicht mehr klappen, so viel als möglich herunterzureden und irgendwas wird schon richtig sein. Prüflinge bekommen realistische, praktische Aufgaben aus dem Betriebsalltag, die sie selbständig planen (auch zeitlich!!) und dann abarbeiten. Prüfer sind nur noch (wohlwollende) Beobachter, die wollen nicht mehr zugetextet werden! So wird es zunächst vielleicht noch ungewohnt sein, aber eine Aufgabe kann schon eine halbe oder ganze Stunde dauern und nur die Prüflinge arbeiten daran. Selbstverständlich, und davon sollte sich keiner nervös machen lassen, müssen Prüfer jetzt viel öfter und mehr Notizen machen. Das ist kein schlechtes Zeichen, denn auch gute Beobachtungen werden notiert.
Ohne Vorbereitung von Betrieb und Berufsschule wird die Abschlussprüfung durchaus schwieriger. Mit entsprechender Vorbereitung wesentlich praktischer und deshalb leichter. Ihr müsst darauf achten, dass der Betrieb entsprechend der Verordnung Euch ausbildet und die Berufsschule entsprechend des neuen Rahmenlehrplanes unterrichtet. Eines ist sicher : Frontal- und Tafelunterricht in der Berufsschule wird Euch nicht weiterhelfen! Und dann gibt es auch noch „Ausbilder“, denen es durchaus nicht ungelegen kommt, dass Azubis dumm gehalten werden und schon einmal durch die Prüfung fallen. Dann hat man die billige Arbeitskraft ein Jahr länger … .
Wie sind die schulischen Voraussetzungen für die Zulassung zu einer Pferdewirtinausbildung? Was verdient ein fertiger Pferdewirt in NRW?
Freue mich auf eine kurzfristige Antwort.
Die Verordnung nennt keine schulischen Voraussetzungen. Also jede oder jeder kann den Beruf Pferdewirt erlernen. Allerdings gilt das nur, wenn Du einen Ausbildungsbetriebe findest. Und die können durchaus sagen, dass sie nur Abiturienten oder Realschüler nehmen. Ebenso gibt es Betriebe, die nur Volljährige einstellen.
Was verdienen Pferdewirte in NRW? Kann ich Dir nicht sagen, da viele Pferdewirte zu vornehm sind, in ihre Gewerkschaft einzutreten. Folglich gibt es statt gesicherten Gehältern eben Wild- West. Es gibt wohl nur wenige Berufe, in denen so viel Arbeit geleistet werden muss und so wenig entlohnt wird. Natürlich gilt für Pferdewirte ab 1.1.15 der Mindestlohn von 8,50 je Stunde Netto. Aber ich bin sicher, dass ganz viele Pferdewirte weniger erhalten und das klaglos so hinnehmen werden. Nur wer in der Gewerkschaft ist, wird sich erfolgreich wehren können.
Jetzt solltest Du orientiert sein. Falls nicht, melde Dich bitte gerne wieder.
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